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Die Kultur war Propaganda!





Der sprechende Künstler zu Kunst und Kultur im Europa der Pandemie

Milan Mijalkovic, der österreichisch-mazedonische Architekt, Autor und Künstler, adaptiert immer wieder das Stilmittel der Rede als Kunstform, um gesellschaftliche Konflikte und Probleme der Zeit zu beleuchten. „Die Kultur benötigen wir nicht!“ – unter dieser Überschrift rechnet der sprechende Künstler jetzt mit einer Gesellschaft ab, die ihre Kunst im Angesicht von Corona einfach abgeschaltet hat und mahnt zugleich den Kulturbetrieb zur Abkehr von altem Kulturstreben voller Beliebigkeit. Mijalkovic fordert nichts weniger als eine Kulturrevolution und eine neue Auseinandersetzung mit dem Unbekannten. Der Kulturbetrieb muss wieder hör- und sichtbar werden und darf trotz Pandemie nicht als Kulturdigital in einer Nebenrolle verschwinden.

Kulturbetrieb und Kulturschaffende in der Krise

Eine echte Bühne finden Künstler wie Milan Mijalkovic von Makedonien im Frühjahr 2020 nicht. Der Kulturbetrieb in Österreich und praktisch in ganz Europa ist geschlossen. Nahezu alles wurde von den Regierungen geschlossen, ohne dass die Demokratie mit den Menschen, die sie eigentlich leben und bestimmen sollten, gefragt worden wäre. Genauso wenig wurde sie gefragt, was jetzt lebensnotwendig ist, was offen und am Leben bleiben darf. Wäre sie gefragt worden, hätte sie sicherlich geantwortet: Supermärkte. Diese sind tatsächlich noch geöffnet, bilden aber nahezu die einzigen Plätze, an denen sich Menschen noch von Angesicht zu Angesicht begegnen oder erreicht werden können.


Mijalkovic macht aus der Not eine Tugend und den Bürgersteig vor einer Billa-Filiale mitten in Österreich Anfang April 2020 zu einer Bühne. Hier hält er seine Brandrede und schickt sie in die neue Welt über den Kanal, der immer, rund um die Uhr und bei jedem Virus geöffnet hat: YouTube.

Kultur war Propaganda

Mit dieser Aussage setzt Milan Mijalkovic früh ein dickes Ausrufezeichen in seiner neuen Performance. Anders als in Die demokratische Rede zum Zustand der Demokratie schickt der Künstler hier Worte, Ausrufe und Ausrufezeichen an das Publikum. Ausrufezeichen erscheinen nur angemessen angesichts der Entwicklung in der letzten Zeit. Alles ist über Nacht kulturlos geworden. Eine Kulturwelt, die sich so einfach abschalten, verdrängen und vergessen lässt, kann nie wirklichen kulturellen Inhalt oder Wert besessen haben, kritisiert Mijalkovic. Er nennt sie eine Täuschung, Propaganda und Völlerei. Für den Künstler hat sich der Kulturbetrieb zuletzt zu einem Konsumgut entwickelt, das schnell fallen gelassen wird, wenn anderes notwendiger erscheint.
Kulturelles war nur noch beliebig, altbekannt und damit austausch- und verzichtbar für Milan Mijalkovic. Es hat für ihn längst nicht mehr den eigentlichen tieferen Kulturbegriff erfüllt, war im Prinzip kulturlos, weil es nicht mehr das Fremde oder Unbekannte aufgegriffen, interpretiert oder verarbeitet hat. Genau das fordert Mijalkovic jetzt: eine kulturelle Neuausrichtung, die sich wieder des kulturellen Wesens und der Wurzeln besinnt. Das bisherige Kulturstreben führte für den Künstler in die vollkommen falsche Richtung und hat die Kulturwelt nun in einer kaum beachteten Nische verschwinden lassen – im Kulturdigital, in dem kaum noch jemand hinhört oder zusieht und in dem sich die Aufmerksamkeit eines größeren Publikums dann doch nur wieder gewinnen lässt, wenn sich die Künstler anpassen, austauschbar und beliebig machen.




Milan Mijalkovic, Kultur ist Propaganda, 2020, Collage auf Papier, 50 x 35 cm



2020
Kamera: Gerald Kofler
Dank an: Christina Werner, Stephan Klinger, Heidulf Gerngross, Barabra Spannocchi



Copyright: Milan Mijalkovic, 2020